Was soll ich uns wünschen an Tagen wie diesen? Ich möchte uns jene Gabe wünschen, die erst den Raum für alle anderen Gaben schafft. Ich wünsche uns tiefe innere Stille.
Stille, tief genug, um zu hören, wie das Erdreich aufwacht nach der langen Winterruhe; dann wird unser Seelengrund fest und ruhig werden. Stille, tief genug, um zu hören, wie Wasser rieselt und in den Boden sickert; dann wird unser Sinn sanft werden, gefügig und geheilt. Stille, tief genug, um zu hören, wie im Erdinneren Feuer tost; dann wird auch unser Innerstes erglühen. Stille, tief genug, um das Fallen eines Regentropfens durch die stille Frühlingsluft zu hören; dann wird die Stille in uns sich verwandeln in eine große Hoffnung.
„Frieden!“ verkündigte der Engel, aber Frieden nicht nur als Gabe, sondern als Aufgabe. Nur wenn Stille uns beständig macht wie Erde, wendig wie Wasser und glühend wie Feuer, werden wir uns der Aufgabe stellen können, Frieden zu schaffen. Deshalb wünsche ich uns jene tiefe innere Stille, die allein es uns erlaubt, ohne Ironie „Frieden auf Erden“ zu erhoffen und uns ohne Verzweiflung dafür einzusetzen.
Text angelehnt an:
Steindl-Rast, David: Achtsamkeit des Herzens. Freiburg, Basel, Wien: Herder. 2013 (Originalausgabe 1988).S.160