
…dient es den Menschen sieben Generationen lang?
…ist es für die Kinder, die jetzt geboren werden?
(grundlegende Maßstäbe der Naturvölker)
Der norwegische Philosoph Arne Naess unterschied „tiefe Ökologie“ von „oberflächlicher Ökologie“ zum ersten Mal 1972 auf einem Kongress in Bukarest. In diesem Zusammenhang erklärte er „oberflächliche Ökologie als einen Kampf gegen die Verschmutzung und Ausbeutung der Ressourcen mit dem Hauptziel: die Gesundheit der Menschen in den entwickelten Ländern“, während Tiefenökologie „die Zurückweisung des Bildes vom Menschen in seiner Umwelt zu Gunsten des Bildes von einem ganzheitlichen Beziehungsgeflecht“ ist.
Mit dem Begriff „Tiefenökologie“ bezeichnete er den Übergang von ökologischer Wissenschaft zu ökologischer Lebensweisheit.
Es geht darum, tiefergehende Fragen zu stellen. Die Ökologie als Wissenschaft fragt nicht danach, welche Gesellschaftsform am besten wäre, um ein bestimmtes Ökosystem aufrechtzuerhalten. Wir müssen Fragen stellen wie: Warum sind wir der Meinung, dass wirtschaftliches Wachstum und hoher Konsum so wichtig sind? In der Tiefenökologie fragen wir danach, ob die gegenwärtige Gesellschaft menschliche Grundbedürfnisse wie Liebe, Sicherheit und den Zugang zur Natur befriedigt. Wir fragen, welche Gesellschaft und welche Erziehung dem Leben auf dem Planeten als Ganzes nützt, und weiterhin fragen wir, was wir tun müssen, um die notwendigen Veränderungen vorzunehmen.
Arne Naess fasste das Verständnis für Tiefenökologie in 8 Punkten zusammen:
1. Das Wohlsein und Sich-entfalten-Können des menschlichen und des nichtmenschlichen Lebens auf der Erde haben einen Wert in sich selbst. Dieser Eigenwert ist unabhängig von der Nützlichkeit der Natur für menschliche Zwecke.
2. Der Reichtum und die Vielfalt der Lebensformen tragen zur Verwirklichung dieser Werte bei und sind ebenfalls als Wert an sich anzusehen.
3. Menschen haben kein Recht, diesen Reichtum und diese Vielfalt zu verringern, außer um ihre überlebensnotwendigen Bedürfnisse zu befriedigen.
4. Die gegenwärtigen Eingriffe in die nichtmenschliche Welt durch den Menschen sind übermächtig schädigend, und die Situation verschlechtert sich zunehmend immer schneller.
5. Das Wohlsein des Menschen und seiner Kulturen und das Überleben der nichtmenschlichen Daseinsformen setzen einen deutlichen Rückgang der Weltbevölkerung voraus.
6. Für eine tiefgreifende Verbesserung der Überlebensbedingungen sind politische Änderungen nötig. Änderungen beziehen sich auf ökonomische, technische und ideelle Strukturen.
7. Der geistige Wandel bezieht sich hauptsächlich auf die Wertschätzung von Lebensqualität und nicht länger mehr auf steigenden Lebensstandard.
8. Diejenigen, die die genannten Punkte befürworten, gehen damit gleichzeitig eine direkte oder indirekte Verpflichtung ein, an dem Versuch teilzunehmen, die nötigen Veränderungen durchzusetzen.
Die Veränderung tritt ein, wenn wir uns fragen: „In welcher Situation erfahre ich die höchste Zufriedenheit meines ganzen Seins?“
Und man sollte darüber nachdenken, ob der materielle Lebensstandard nicht gesenkt und die Lebensqualität im Sinn der grundlegenden Befriedigung unseres Herzens oder unserer Seele gesteigert werden soll.
Gottwald, Franz-Theo: Zur Geschichte der Tiefenökologie: In: Franz-Theo Gottwald / Andrea Klepsch (Hrsg.): Tiefenökologie – Wie wir in Zukunft leben wollen. Eugen Diederichs Verlag, München 1995
LaChapelle, Dolores: Heilige Erde – Heiliger Sex, Band 1: Entwurzelung und unsere Wurzeln in den „Alten Weisen“. Neue Erde GmbH, 1998